Das relativ neue Schlagwort „Encircled Flux“ hat Einzug in dieGlasfaser-Messtechnik gehalten und wirkt sich auch in der täglichen Praxis des Installateurs aus. Daher ist es sinnvoll, sich sowohl mit den theoretischen Grundlagen, als auch mit den eher handfesten Auswirkungen zu beschäftigen.

Glasfaser-Verkabelungsstrecken der sogenannten„Universellen Strukturierten Gebäudeverkabelung“ messen Techniker heute üblicherweise entweder mittels der Dämpfungs-Messmethode (LSPM, Tier1) oder mithilfe des „Optical-Time-Domain-Reflektometer-Verfahrens“ (OTDR,Tier 2). Gerade bei der Dämpfungs-Messmethode gibt es abhängig vom verwendetem Messequipment immer wieder größere Abweichungen bei den Ergebnissen,was letztendlich dazu führt, dass sich die Experten in der internationalen Standardisierung auf neue Definitionen für die Dämpfungs-Messung von Multimode-Glasfaser-Verkabelungen geeinigt haben. Ein Teil der Genauigkeitsverbesserung geschieht über die Festlegung der Referenzierungsmethoden und zulässigen Toleranzen der verwendeten Messhilfsmittel, der zweite Teil mit der Spezifizierung des zu verwendenden Testsignals. In diesem Kontext ist es sinnvoll, die neue „EncircledFlux“-Definition in Bezug auf die Dämpfungs-Messtechnik genauer zu betrachten. Zuvor eine grundsätzliche Bemerkung: Sauberkeit und Beschädigungsfreiheit sind die obersten Gebote bei Glasfaser-Verkabelungen und selbstverständlich auch bei der Glasfaser-Messtechnik. Um sich ein sicheres Bild von der Sauberkeit und des Zustands der verwendeten Glasfaser-Stecker an den Referenzkabeln (Messkabeln) und an den zu messenden Glasfaser-Strecken zu verschaffen, ist es unumgänglich, sich vor jeder Messung alle Stecker-Stirnflächen mittels eines Glasfaser-Mikroskops anzusehen. Dann kann der Techniker die Stecker-Stirnflächen reinigen, falls sie verschmutzt sind, sie dann erneut inspizieren – und wenn dann alles sauber und beschädigungsfrei ist, die Verbindung der inspizierten und gereinigten Glasfaser-Stecker herstellen. Jede andere Vorgehensweise wäre leichtsinniger Umgang mit den Stecker-Stirnflächen, was zu Folge Verschmutzungen, Beschädigungen und sogar zum Totalausfall von Glasfaser-Verkabelungsstrecken führen kann.

Um den Einfluss von Encircled Flux auf die Messtechnik erklären zu können, muss man sich zunächst mit den Grundlagen der Glasfaser-Dämpfungsmessung beschäftigen. Wie misst man die Dämpfung bei einer Glasfaser-Verkabelung? Es klingt eigentlich relativ einfach: Der Technikerverwendet eine Lichtquelle (Light Source,LS) und einen Leistungsmesser (Power Meter, PM) und führt damit eine Messung der auf der Glasfaserstrecke verloren gehenden Lichtleistung durch. Also ist die Dämpfung: L [dB] = 10 * log (Pin/Pout). Wenn der verwendete Pegelmesser die gemessenen Lichtleistungspegel direkt in dBm anzeigen kann, kann der Techniker die Dämpfung einfach als Subtraktion der Sendeleistung PLS [dBm] abzüglich der Empfangsleistung PPM [dBm] berechnen: L [dB] = PLS [dBm] – PPM [dBm]. Dies sieht zwar sehr einfach aus, aber die Tücke liegt im Detail, da der Techniker zunächst eine Normalisierung durchführen muss. Er muss dazu die von der Lichtquelle abgegebene Leistung PLS bestimmen und im Leistungsmesser als Referenzwert ablegen, um die Anteile des Messequipments am Gesamtergebnis herauszurechnen. Besonders die Qualität der Messkabel und Stecker trägt wesentlich zur Genauigkeit des Ergebnisses bei. An dieser Stelle beginnt das Drama auch schon: Die Standards haben für diese „Nullung“ sowohl eines als auch zwei oder drei Referenz-Messkabel vorgesehen. Bei den Anregungsbedingungen– also wie und wieviel Licht (genauer Licht-Moden) in die Glasfasern eingekoppelt werden – gab es zudem bisher ebenfalls verschiedene Methoden. In den letzten Jahren haben die Experten das Thema der Lichteinkopplung daher erneut aufgegriffen und die Definition des Encircled Flux (= eingeschlossener Strahlungsfluss) in die Standards integriert. Wie sah die Situation zuvor aus? Zunächst hatten die Fachleute die Verwendung vonLED-Lichtquellen standardisiert. Diese erzeugen einen sogenannten „Overfill“. Dabei sind durch Überflutung mit dem Licht der LED in den Glasfaser-Kern und den Glasfaser-Mantel Lichtmoden eingekoppelt, die sowohl als stabile Moden niedriger Ordnung (nahe dem Glasfaser-Kern)als auch als instabile Moden höher Ordnung (weiter entfernt vom Glasfaser-Kern bis in den Glasfaser-Mantel) in der Glasfaser unterwegs sind. Dies hat dann bei kurzen Referenz-Messkabeln dazu geführt, dass der Techniker beim Nullabgleich zuviel Licht mit seinem Leistungsmesser gemessen hat. Letzteres wiederum führte zu fehlerhaften Messungen, da die gemessene Referenzleistung zu hoch war. Zusätzlich können bei längeren Verkabelungsstrecken die instabilen Moden höherer Ordnung im Glasfaser-Mantel und zum Teil auch im Glasfaser-Kern nach etlichen Metern verschwunden sein und sind an der Messung nicht mehr beteiligt. Um etwas stabilere Verhältnisse zu erreichen, setzte man auf das Verfahren, die sogenannten Mantelmoden und die instabilen Moden höherer Ordnung bereits vor der Nullung mittels eines Modenfilters (Mandrel) herauszufiltern. Dadurch ergeben sich etwas stabilere Messverhältnisse. Aber immer noch waren die gemessenen Dämpfungen in der Regel zu hoch und damit zu pessimistisch. In der weiteren Entwicklung haben die Messtechniker mit VCSEL-basierenden Lichtquellen (Vertical Cavity Surface Emitting Laser) gearbeitet, da diese vielfach auch in den aktiven Komponenten der Übertragungsstrecken zu Einsatz kamen, zum Beispiel 1GbE-SFPs mit einem850-nm-VCSEL. Diese Methode hat allerdings dazu geführt, dass die Messergebnisse wegen zu geringer Ausleuchtung des Glasfaser-Kerns und zu wenigen Moden höherer Ordnung zu optimistisch war. Manche Fehler – zum Beispiel ein Versatz von Glasfaser-Kernen zwischen zwei verbundenen Glasfaser-Steckverbindern – blieben damit unbemerkt. Die beiden Anregungsbedingungen „Overfill“ und „Underfill“ konnten bei Messungen Abweichungen von deutlich mehr als zehn Prozent zur Folge haben. Dies war in Zeiten großer Systemreserven für Glasfaser-Übertragungstrecken nicht besonders kritisch. Da es jedoch heute bei den Übertragungen von 40GBase-SR4 und 100GBase-SR10 über OM3/OM4-Fasern mit Längen von 100 und 150 Metern und einem Channel-Budget von nur noch 1,9/1,5 dB solch große Systemreserven nicht mehr gibt, kann sich der Techniker derartige Abweichungen nicht mehr leisten. Die Experten in den Standardisierungsgremien mussten also reagieren und über Anregungsverfahren beraten, die solche Abweichungen erst gar nicht zulassen. Vor einigen Jahren haben sie folgerichtig damit begonnen, eine genaue Definition der Licht-Leistungsverteilung im Glasfaser-Kern zu erstellen. Encircled Flux liegt exakt bestimmt zwischen einer Overfill und einer Underfill-Anregung. Die genaue Definition lautet: Encircled Flux ist der Anteil der kumulativen (aufsummierten) Leistung des Nahfelds gegenüber der Gesamtausgangsleistung als Funktion des radialen Abstands vom optischen Zentrum des Glasfaser-Kerns. Die genaue Bestimmung der Lichtleistung mittels einer Nahfeldmessung macht also genau messbar, wie viele Moden niedriger und höherer Ordnung das System zur Messung und somit in den Glasfaser-Kern der zu messenden Strecken einkoppelt. Welche spezifizierten Lichtleistungs-Verhältnisse dies für die verschiedenen Kerndurchmesser und verwendeten Wellenlängen sind, ist im Standard DIN EN 61280-4-1 nachzulesen. Diese Werte sind in dem inzwischen bekannten „EF Template“ umgesetzt, das mit Toleranzen versehen als Grenzwertkurve bei Nahfeld-Messunge nmit Labor-Messvorrichtungen zum Einsatz kommt.

EF bis zum Einspeisepunkt

Damit sind zunächst die Lichtquellen genau definiert. Doch es gibt noch eine weitere Herausforderung: Die Standardisierung fordert die Encircled-Flux-Anregungsbedingung nicht am Ausgang der Lichtquelle, sondern am Ende eines Referenz-Messkabels. Damit kann dann die mit Encircled Flux spezifizierte Modenverteilung gezielt in die zu messenden Glasfaser-Strecken eingehen. Falls die Lichtquelle selbst die Encircled-Flux-Anregungsbedingung aufweist, lässt sich dies mithilfe spezieller sogenannter modentransparenter Referenz-Messkabel erreichen. Diese Methode hat gegenüber anderen Encircled-Flux-Methoden (etwa einem zwischen Lichtquelle und Referenzstecker geschalteten Moden-Konditionierer) den Vorteil, dass der Verschleiß eines Referenzsteckers am Ende der Referenzkabel nicht zu einer extrem teuren Aktion wird, sondern durch den Austausch durch einneues moden-transparentes Referenzkabel relativ günstig bleibt. Ein Vergleich der Messungen verschiedener Messgeräte zeigt schlussendlich, dass deren Abweichungen durch die auf Encircled Flux basierende klare Definition der Modenverteilung am Referenzstecker deutlich unter zehn Prozent liegen.

Referenzverfahren

In der Praxis sollte sich der Techniker auch den drei verschiedenen Referenzverfahren zuwenden. Dies ist zunächst die Referenzmessung mit einem Messkabel (Prüfkabel). Dazu verbindet er die Lichtquelle (LS) mit dem Leistungsmesser (PM) miteinem Messkabel (TC1) mit Steckern in Referenzqualität (Referenz-Steckverbindung< 0,1 dB), er misst die Leistung (P1) und speichert diese als Referenzwert ab. Wenn er nun die Messung einer Verkabelungsstrecke durchführen will, nimmt er ein zweites Messkabel (TC2) dazu, zieht den Steckverbinder des ersten Messkabels (TC1) vom Leistungsmesser ab (Achtung: Nie den Stecker von der Lichtquelle abziehen, sonst ist der Referenzwert nicht mehr gültig), steckt diesen auf die zu messende Strecke (C), verbindet das zweite Messkabel(TC2) mit der anderen Seite der zu messenden Strecke und dem Leistungsmesser (PM), misst die jetzt empfangene Leistung (P2) und kann die Dämpfung der Kabelstrecke bestimmen als:

L [dB] = P1[dBm] – P2 [dBm]

Er erhält jetzt einen Dämpfungswert, denes jedoch noch zu bewerten gilt. Dazu muss er bei der Dämpfungs-Messmethode das Leistungsbudget der Verkabelungsstrecke aufstellen. Ein Beispiel: 100 Meter Kabelstrecke mit 3,5 dB/km ergeben 0,35dB, zuzüglich gibt es zwei Steckverbinder mit Referenzstecker auf Standardstecker mit jeweils 0,3 dB Dämpfung, dies ergibt als Summe 0,95 dB als Grenzwert. Wenn der gemessene Wert unter 0,95 dB liegt, istdie Verkabelungsstrecke folglich in Ordnung. Die meisten Glasfaser-Pegelmesser haben einen solchen Vergleich mit einem Leistungsbudget nicht im Gerät implementiert. Ausnahmen bilden moderne Verkabelungs-Zertifizierer mit Glasfaser-Modulen, die die nötigen Berechnungen beherrschen, sowie reine Glasfaser-Leistungsmesser, die ebenfalls über diese Funktion verfügen und somit sofort eine Pass/Fail-Aussagetreffen können.

Die zweite Methode ist die Referenzmessung mit drei Messkabeln (Prüfkabel). Sie kommt zum Einsatz, wenn es aufgrund der verwendeten Steckverbinder (etwa MTRJ- oder MPO/MTP-Stecker mit Stiften oder ohne Stifte) oder der notwendigen Messkabel nicht möglich ist, die Referenzmessung mit nur einem Messkabel durchzuführen. Dazu steckt der Techniker das Messkabel TC1 an die Lichtquelle (LS),das Messkabel TC2 an den Leistungsmesser (PM) und das Austauschkabel TC3zwischen die beiden anderen Messkabel,misst die Leistung (P1) und speichert diese als Referenzwert ab. Dann entfernt er das Austausch-Messkabel TC3 und verbindet Messkabel TC1 und TC2 mit deren Endenan die zu messende Verkabelungsstrecke. Jetzt kann er wieder am Pegelmesser die Leistung P2 messen. Als Ergebnis erhält erwieder: L [dB] = P1 [dBm] − P2 [dBm]

Wie sieht das Dämpfungsbudget in diesemFall aus?


Dazu wieder eine Beispielberechnung. Eine Kabelstrecke von 100 Meter mit 3,5 dB/km ergibt eine Dämpfung von 0,35 dB. Bei den Steckverbindern gilt es zu beachten, dass beim Messen der Referenz zwei Referenz-Steckverbindungen mit jeweils 0,1 dB „herauskalibriert“ wurden, die dann in der Messung durch Referenz-zu Standard-Steckverbindungen ersetzt sind. Daher muss der Techniker in diesem Fall ein um diese Steckverbinder reduzierten Wert ansetzen. Das Dämpfungsbudget ergibt dann 0,35 dB plus 2 ×0,3 dB − 2 × 0,1 dB und somit nur 0,75 dB. Dies macht dann die Messungen bis weilen etwas schwieriger.

Zwei Messkabel
Die letzte noch fehlende Referenzmessung führt der Techniker mit zwei Messkabeln aus. Dieses Vorgehen gleicht im Prinzip den zuvor diskutierten Referenzmethoden, allerdings mit dem Unterschied, dass dabei beim Erfassen der Referenz nur ein Referenz-Steckverbinder zum Einsatz kommt und daher das Budget nur um diesen einen zuvor heraus kalibrierten Steckverbinder korrigiert werden muss.

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