Empfehlungen für die Feldzertifizierung von Multimode-Verbindungen

1 Hintergrund

Unterschiedliche Kategorien von Multimode-Kabeln
Multimode-Kabel werden derzeit in vier verschiedene Kategorien untergliedert: OM1 bis OM4. Alle Kategorien unterstützen die Lichtübertragung mit Wellenlängen von 850 und 1300 nm, unterscheiden sich jedoch hinsichtlich der modalen Bandbreite, der maximal unterstützten Leitungslänge und hinsichtlich anderer optischer Übertragungsparameter. Die maximal unterstützte Leitungslänge hängt auch von der jeweiligen Anwendung ab. Die genannten Kategorien unterscheiden sich darüber hinaus im Kerndurchmesser der Glasfaser. Der Kerndurchmesser bei OM1 beträgt 62,5 µm; bei OM2, OM3 und OM4 beträgt er 50 µm. In der nächsten Revision der entsprechenden internationalen Normen wird zusätzlich die neue Kabelkategorie OM5 aufgenommen. Auch sie wird einen Kerndurchmesser von 50 µm aufweisen, wird aber mehr Wellenlängen als OM1 bis OM4 unterstützen, um den maximal möglichen Datendurchsatz zu steigern.

Die Tatsache, dass es heute vier und künftig fünf Multimode-Kabelkategorien gibt, wirft eine interessante Frage in Bezug auf Tests bei der Glasfasertechnik auf:
„Beeinflusst die Kabelkategorie des/der Messkabel die Testergebnisse?“

Mit anderen Worten: Erhalte ich unterschiedliche Ergebnisse, wenn ich ein OM2- oder ein OM4-Kabel verwende?
Die Antwort lautet – wie so oft: „Das kommt darauf an...“

Leider lässt sich die Frage nicht mit einem einfachen Ja oder Nein beantworten. Es kommt darauf an, welche Art Verkabelung getestet werden soll und welche Testmethode, also Optical Loss Test Set (OLTS) oder Optical Time Domain Reflectometer (OTDR), genutzt wird.

Im folgenden Anwendungshinweis erhalten Sie zehn Antworten. Sie sollen Sie dabei unterstützen, präzise faseroptische Messungen durchzuführen.

1. Antwort: Prüfen Sie unabhängig von den verwendeten Steckverbindungen, Glasfaserkategorien und Messungsarten immer – vorzugsweise mit einem Videoprüfmikroskop – alle Messkabel und Messgeräteanschlüsse auf Sauberkeit, BEVOR Sie eine Glasfaserverbindung herstellen. Nutzen Sie immer professionelle Reinigungswerkzeuge und -mittel.

2. Antwort: Nutzen Sie immer Messkabel mit Referenzsteckern.

3. Antwort: Ja – der Kerndurchmesser ist wichtig. Achten Sie immer darauf, beim Testen den korrekten Kerndurchmesser zu verwenden!

4. Antwort: Wenn EF-Konformität erforderlich ist, achten Sie darauf, dass die Messkabel nicht aus BIMMF-Fasern bestehen, sondern für EF-konformes Testen geeignet sind.

5. Antwort: Bei OLTS ist es unerheblich, ob OM3- oder OM4-Messkabel zum Testen von OM3- bzw. OM4-Verbindungen verwendet werden.

6. Antwort: Es ist bei einem OLTS an sich unerheblich, ob OM3-, OM4- oder OM5-Messkabel zum Testen von OM5-Verbindungen genutzt werden. Beachten Sie jedoch bitte auch die obigen Antworten und die folgende Zusammenfassung!

7. Antwort: Wenn EF-Konformität erforderlich ist, verwenden Sie keine Mode-Conditioning-Kabel, sondern EF-konforme Messkabel oder EF-konforme Lichtquellen.

8. Antwort: Achten Sie unabhängig von der Kabelkategorie darauf, dass die Länge der Messkabel ausreicht. Nähere Informationen hierzu finden Sie in den Spezifikationen des betreffenden Testgeräts. Verwenden Sie keine Messkabel, die kürzer sind als empfohlen. Hinweis: Manche Normen schreiben vor, dass Vor- und Nachlaufkabel unterschiedlicher Länge verwendet werden müssen.

9. Antwort: Es wird empfohlen, für Vor- und Nachlaufkabel dieselbe Kabelkategorie zu verwenden wie für die zu testende Verbindung, um etwaige Messfehler am ersten und letzten Verbinder der zu testenden Verbindung durch ungleiche Glasfasertypen auszuschließen.

10. Antwort: Nutzen Sie immer Vor- und Nachlaufkabel mit Referenzsteckern.

2 Normative Referenzen
Hier könnte man eine ganze Seite normativer Referenzen auflisten. Um die Sache zu verkürzen, sollen hier nur die beiden Normen mit größter Relevanz genannt werden. Auf internationaler Ebene definiert IEC 14763-3 die Testmethode zum Testen von Glasfaserkabeln per OLTS und OTDR. IEC 61280-4-1 definiert die Eigenschaften der Lichtquellen, die bei OLTS-Messungen von Glasfaserkabeln zum Einsatz kommen.

3 Vertragliche Spezifikationen
Ein Aspekt ist wichtiger als alle sonstigen Faktoren in Bezug auf Messkabel: vertragliche Spezifikationen.
Um ein Verkabelungsprojekt erfolgreich abschließen zu können, muss der Auftragnehmer die vertraglichen Spezifikationen erfüllen. Wenn dazu auch Spezifikationen für Messkabel zählen, müssen die in den Spezifikationen angegebenen Kabel bei den Tests eingesetzt werden. Wenn die Spezifikationen fehlerhaft oder unvollständig erscheinen, sollte der Auftragnehmer mit dem Kunden darüber sprechen und offene Fragen vor Beginn der Glasfaser-Zertifizierungsprüfungen klären.

4 Allgemeine Empfehlungen
Sauberkeit
Vor dem Anschluss von Glasfaserkabeln an faseroptischen Messgeräten wird IMMER dringend empfohlen, die Anschlüsse der Messkabel auf Sauberkeit zu prüfen. Softing empfiehlt die Nutzung von Videoprüfsonden wie beispielsweise das Softing Videomikroskop, mit dem die Anschlüsse nach den internationalen IEC-Normen verlässlich auf die Einhaltung der Vorgaben geprüft werden können, sowie von geeigneten Reinigungsprodukten für Glasfaserkomponenten. Der Benutzer muss außerdem darauf achten, dass die Spitze des Messkabels, das an die Leitung angeschlossen wird, ebenfalls sauber ist, damit a) eine präzise Messung erzielt werden kann und b) keine Verunreinigungen auf andere zu testende Leitungen verteilt werden. Softing empfiehlt die Nutzung von Videoprüfmikroskopen für die Prüfung von Steckerendflächen. Moderne Mikroskope wie das Softing Videomikroskop 226539 ermöglichen häufig auch eine verlässliche Inspektion der einzuhaltenden Vorgaben gemäß den IEC-Normen.

Verbinder
Unabhängig von der faseroptischen Kategorie, dem Steckertyp, dem Messungstyp bzw. der Messungsnorm ist bei Steckverbindern Vorsicht geboten.
Die Normen kennen „übliche Stecker“ und „Referenzstecker“. „Übliche Stecker“ weisen viel größere Toleranzen hinsichtlich der optischen Parameter auf als „Referenzstecker“. IEC 14763-3 schreibt die Verwendung von „Referenzsteckern“ für Tests vor. Es muss sichergestellt werden, dass für Tests Messkabel mit Referenzsteckern verwendet werden. Andernfalls liegen die Toleranzen nur aufgrund der Schwankungen der Steckerdämpfung in derselben Größenordnung wie das Dämpfungsbudget der zu testenden Verbindung oder sogar noch größer. (Beispiel: Eine Multimode-Verbindung mit „übliche Steckern“ darf eine Dämpfung von bis zu 0,75 dB aufweisen. Eine Verbindung mit Referenzsteckern darf einen Wert von nur 0,1 dB aufweisen.) Die Steckerdämpfung hängt von Parametern wie etwa der Konzentrizität des Kerns sowie von Qualität und Form der Steckeroberfläche ab. Referenzstecker weisen wesentlich strengere Spezifikationen für diese Parameter auf. Sie wurden umfassend auf diese Parameter geprüft.

5 OLTS – Tier 1
Messprinzip
Mit OLTS wird die Gesamtdämpfung eines Glasfaserkabels mithilfe einer Lichtquelle auf einer Seite der Verbindung und einem Lichtleistungsmessgerät auf der anderen Seite gemessen. Dieses Verfahren wird auch als „Tier 1-Messung“ bezeichnet.
Bei diesem Verfahren werden kurze Messkabel mit einer Länge von üblicherweise zwei Metern für die Messungen verwendet. Je nach erforderlicher Testkonfiguration wird ein Kabel verwendet, das mit der Lichtquelle verbunden ist, oder es werden zwei Kabel verwendet (eines mit der Lichtquelle, das andere mit dem Lichtleistungsmessgerät verbunden).
Bei komplexeren Testgeräten wie etwa dem WireXpert 4500 kann derselbe Test mit zwei Wellenlängen durchgeführt werden. Das Gerät unterstützt bidirektionale Tests und misst auch die Länge der getesteten Verbindung.

Kerndurchmesser
Der Kerndurchmesser der Messkabel wirkt sich in erheblichem Maße auf die Messergebnisse aus. Wenn die Feldkalibrierung des OLTS-Geräts (Feldkalibrierung mit den für Tests verwendeten Messkabeln) mit Messkabeln mit 62,5 µm Durchmesser erfolgte (OM1 oder OM2), jedoch eine OM3- bzw. OM4-Verkabelung mit 50 µm Durchmesser getestet werden muss, stellt der Prüfer allein aufgrund der Tatsache, dass die Kerndurchmesser nicht übereinstimmen, eine erhebliche Dämpfung fest.
Umgekehrt gilt: Wenn die Feldkalibrierung des OLTS-Geräts mit Messkabeln mit 50 µm Durchmesser erfolgte, jedoch eine Verkabelung mit 62,5 µm Durchmesser getestet werden muss, ist das OLTS-Gerät für reflektive Ereignisse „blind“ (z. B. Verschmutzungen auf den Steckverbindern), die sich im ringförmigen Bereich zwischen 50 und 62,5 µm befinden.

Biegeunempfindliche Kabel und EF-konformes Testen (Encircled Flux)
Biegeunempfindliche Multimode-Fasern (BIMMF) eignen sich hervorragend für die faseroptische Übertragung, da solche Fasern sehr geringe Biegeradien und weniger Dämpfung beim Biegen aufweisen.  Diese Fasertypen haben beim EF-konformen Testen (Encircled Flux) jedoch einen unerwünschten Nebeneffekt. EF wird in IEC 61280-4-1 spezifiziert. Dabei werden die Eigenschaften der für das Testen verwendeten Lichtquelle definiert. Bei Multimode werden verschiedene Lichtmodi gleichzeitig durch den Faserkern übertragen. EF spezifiziert die zulässige Leistungsverteilung von all diesen verschiedenen Modi. Bei BIMMF-Fasern kann sich die Verteilung der Modi ändern, wenn die Fasern gebogen werden. Infolgedessen ändert sich auch die Leistungsverteilung der Modi. Doch was hat dies mit Messkabeln zu tun? Wenn EF-konformes Testen erforderlich ist, darf das Messkabel die oben erwähnten Lichtmodi nicht ändern, die über die Fasern übertragen werden. Denn so bleibt gewährleistet, dass EF-konformes Licht in die zu testende Verbindung eintritt. Nicht alle auf dem Markt erhältlichen Glasfaser-Patchkabel können dies garantieren, da die EF-Konformität für das herkömmliche Glasfaser-Patchen nicht relevant ist.

OM3 oder OM4 – Ist das bei OLTS wichtig?
Der Unterschied zwischen OM3- und OM4-Fasern ist die modale Bandbreite. Sie beschreibt vereinfacht gesagt, wie viele Informationen die Faser über eine bestimmte Länge übertragen kann. OM4-Fasern weisen weniger Dämpfung und eine bessere differenzielle Modaldispersion (DMD) auf. Deshalb können sie mehr Informationen über größere Entfernungen übertragen als Fasern der niedrigeren Kategorien. Bei einer längeren Multimode-Glasfaserverbindung „verwischt“ die DMD kurze Impulse (z. B. die Impulse eines Ethernet-Frames) zu breiteren, „unschärferen“ Impulsen, da die äußeren Modi für die Übertragung durch die Faser mehr Zeit benötigen als die inneren Modi. Da bei OLTS mit konstantem Licht gemessen wird, ist dieses „Verwischen“ nicht relevant. Darüber hinaus wird die Dämpfung der Messkabel bei der Messung nicht berücksichtigt, da die Feldkalibrierung des OLTS-Geräts vor der Messung mit den Messkabeln erfolgte. Somit wirkt sich auch die potenzielle Dämpfungsdifferenz einer OM3- bzw. OM4-Glasfaser nicht aus.

Wie sieht es bei OM5 aus?
OM5 nutzt zusätzliche Wellenlängen für die parallele Datenübertragung. Die neuen Wellenlängen werden zwischen den herkömmlichen Wellenlängen von 850 und 1300 nm liegen. Da die Dämpfungskurve einer OM5-Glasfaser zwischen 850 und 1300 nm einigermaßen linear ist, erfordern internationale Normen nur Tests mit den herkömmlichen Wellenlängen von 850 und 1300 nm.
Dieselben Überlegungen in Bezug auf EF, modale Bandbreite usw. gelten auch für OM5-Glasfasern.

Mode-Conditioning-Patchkabel und EF-Konformität
Mode-Conditioning-Patchkabel sind bei einigen Ethernet-Anwendungen nützlich, können jedoch für EF-konformes Testen nicht eingesetzt werden und dürfen nicht mit EF-konformen Messkabeln verwechselt werden. Mode-Conditioning-Patchkabel verwandeln eine nicht EF-konforme Lichtquelle nicht in eine EF-konforme Lichtquelle.

Zusammenfassung:
Die alleinige Betrachtung der Glasfaserkategorie reicht nicht aus für die Entscheidung, ob ein Kabel als Messkabel eingesetzt werden kann. Mit den obigen Antworten erkennen Sie, dass handelsübliche Patchkabel nicht für OLTS-Messungen verwendet werden sollten. Softing empfiehlt dringend die Verwendung ordnungsgemäßer Messkabel, um präzise Messergebnisse zu erhalten.

6 OTDR – Tier 2
Eine OTDR-Messung ist eine einseitige Messung. Das OTDR-Gerät sendet scharfe Lichtimpulse in die zu testende Verbindung und misst am selben Anschluss Reflexionen, die aus der betreffenden Glasfaser zurückkommen. OTDR-Geräte sind in der Lage, kleinste reflektive Ereignisse (z. B. bei Verbindern, Spleißen, Makro- und Mikrobiegungen) entlang der Glasfaser zu messen und auch präzise Informationen über den Standort des betreffenden Ereignisses entlang der Glasfaser zu liefern. Bei OTDR wird ein „Vorlaufkabel“ für den Anschluss der zu testenden Verbindung verwendet. Wenn auch der letzte Steckverbinder der Verbindung präzise gemessen werden soll, muss an dem betreffenden Ende der Verbindung ein „Nachlaufkabel“ angeschlossen werden.

Da die Lichtquelle starke, scharfe Impulse aussendet und am selben Messanschluss ein sehr empfindlicher Empfänger zum Einsatz kommt, werden auch andere Effekte berücksichtigt, die bei OLTS-Tests keine Bedeutung haben.

Länge von Vorlaufkabel und Nachlaufkabel
Da OTDRs auf demselben Anschluss senden und empfangen, müssen die Vor- und Nachlaufkabel eines OTDR erheblich länger sein als OLTS-Messkabel. Die zusätzliche Länge ist notwendig, damit der Empfänger genügend Zeit hat, sich nach dem vom Sender ausgesendeten Impuls zu regenerieren. Wenn der Sender einen Impuls aussendet, ist der Empfänger eine gewisse Zeit lang völlig gesättigt (bzw. blind). In dieser Zeit können keine Messungen durchgeführt werden. Die Zeit, in der der Empfänger „blind“ ist, entspricht einer bestimmten Faserlänge. In der Regel ist das Vorlaufkabel erheblich länger als die erforderliche Mindestlänge, um etwaige Probleme zu vermeiden.

Kabelkategorie
Da OTDR-Geräte reflektive Ereignisse entlang der Glasfaser messen, kann mit dem OTDR festgestellt werden, ob unterschiedliche Glasfasertypen verwendet werden. Wenn das Vorlaufkabel und die zu testende Verbindung unterschiedliche Kategorien aufweisen, könnte dies die Messergebnisse des ersten Verbinders der zu testenden Verbindung beeinflussen.

Verbinder
Wie bei OLTS-Messungen – siehe Antwort 2 oben – ist die Verwendung von Referenzsteckern auch bei OTDR-Messungen sehr wichtig. Um den ersten Verbinder der zu testenden Verbindung präzise messen zu können, sind Referenzstecker unerlässlich, um Messfehler zu begrenzen, die durch den Vorlaufkabelstecker verursacht werden.

Zusammenfassung:
Wie bei OLTS-Messungen sollten Sie auch hier keine handelsüblichen Patchkabel für Messungen verwenden. Achten Sie immer darauf, für Messungen geeignete Vor- und Nachlaufkabel zu verwenden, um präzise Messungen zu erzielen.

Autor: Konstantin Hüdepohl Product Manager

Richard-Reitzner-Allee 6
85540 Haar
München, Deutschland
Tel: +49 (0) 89/45656-687
Fax: +49 (0) 89/45656-656
E-Mail: konstantin.hüdepohl@softing.com

 

 

Der WireXpert und Der FiberXpert von Softing

 

Mehr über Der WireXpert 4500

Mehr über Der FiberXpert OTDR 5000